1. Team
Prof. Dr. Anke Bosse, Professorin, Projekleiterin
Dr. Grazia Berger, Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Mag. Béatrice Costa, Doktorandin
2. Kontext
Das Projekt hat als Hintergrund die modernespezifischen Krisen der Wahrnehmung und der Repräsentation, des Ichs und der Sprache sowie die katalysatorische Wirkung dieser Krisen – provozierten sie doch die Künstler der verschiedensten Sparten zu kreativer Krisenüberwindung, zu permanenter Innovation. Die Künste gerieten so zwar einerseits unter einen extremen gegenseitigen Konkurrenzdruck, andererseits zwang sie der Innovationsdruck, ihre verschiedenen Repräsentationsmodi zu transformieren, zu erweitern, zu verkreuzen und so durch Kooperation und intermediale Überschreitung ihrer jeweiligen Grenzen eine bis dahin nie gekannte Sensibilisierung des Rezipienten, des Zuschauers, Lesers, Zuhörers anzustreben. Speziell die theatralen Formen der Moderne und der Avantgarden sollten dies bis zur maximalen Aktivierung des Zuschauers vorantreiben und dem Theater als plurimedialer Kunst zum Durchbruch verhelfen. Voraussetzung war dessen sog. "Retheatralisierung", die europaweit um sich greifen sollte: Sie stellte die Repräsentationsfähigkeit der Sprache und damit den dramatischen Text fundamental in Frage, um das Theater als eigenständige Kunst neu zu begründen. Dabei kamen zum Zuge:
- die Emanzipation vom sprachlich verfassten und darin infragegestellten Dramentext und, dazu komplementär,
-
die immense Aufwertung vermeintlich ‚authentischerer’ nichtsprachlicher körperbezogener theatraler Formen (Gestik, Mimik, Tanz, Pantomime);
-
die produktive Re-Aktivierung älterer, dem bürgerlichen und dem naturalistischen ‚Literaturtheater’ vorausliegender europäischer Theater-, Spiel- und Ritualformen (darunter das Festspiel) und, damit verbunden,
-
die Moderne-spezifische Abstraktion, die Bühnenbild und -technik, Kostüme und Spielweise der Schauspieler gleichermaßen erfasste, das ‚abbildungsperfekte’ Illusionstheater verabschiedete und wesentlich auf die Aktivierung des Zuschauers, auf seine mitwirkende Imagination, zielte;
-
die produktive Aneignung neuer Medien wie Fotografie, Phonograph und Film sowie neuer Techniken (Mechanik und Elektrizität);
-
die produktive Integration der Nachbarkünste Musik, bildende Kunst und Architektur sowie
-
die vom bürgerlichen Kulturbetrieb marginalisierten theatralen Spielformen, von denen sich einige um 1900 neu formierten wie freier Tanz, Pantomime, Akrobatik, Variété und Kabarett;
-
last but not least umwälzende Wechselwirkungen zwischen Theater und … Drama.
Wie die Punkte 5-7 zeigen, erwies sich Intermedialität als einer der entscheidenden Katalysatoren für die Retheatralisierung und die (Neu-)Begründung des Theaters als wesentlich plurimedialer Kunst. Auch ist deutlich, dass methodisch nicht allein mit literatur-, sondern weiter gefasst mit kultur- und medienwissenschaftlichen Konzepten zu arbeiten ist.
Zu diesem Projekt sind Konferenzen abgehalten worden und mehrere Publikationen erschienen.