Prof. Dr. Anke Bosse

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Ausstellung
Peter Handke - Pays créé de mots - Ein Wortland

(Fortsetzung)

Die Ausstellung Peter Handke – Pays créé de mots gehörte zu den vielfältigen kulturellen Aktivitäten, die 1998 in Belgien anläßlich der ersten EU-Präsidentschaft Österreichs in Belgien stattfanden.

Der Doppeltitel der Ausstellung Peter Handke – Pays créé de mots spiegelt ihren zweiteiligen Aufbau wider.


Der erste Teil führt in Peter Handkes Leben und in markante Auszüge aus seinem Werk ein; er bietet dafür eine beeindruckende Palette von Dokumenten.
Diese Dokumente und der Untertitel der Ausstellung – »Was ich schreibe, ist ja nur meine geformte Existenz« – bezeugen, wie Handke die Phase der provokatorischen Sprach- und Gesellschaftskritik in den 70er Jahren verlässt und zu einem auf sich und die Literatur aufmerksamen Autor wird.
»Die Wirklichkeit der Literatur hat mich aufmerksam und kritisch für die wirkliche Wirklichkeit gemacht. Ich habe keine Themen, über die ich schreiben möchte, ich habe nur ein Thema: über mich selbst klar, klarer zu werden.«

Wie »wirkliche Wirklichkeit« und »Wirklichkeit der Literatur« zusammenhängen, das dürfte dem Besucher/der Besucherin im zweiten Teil der Ausstellung aufgehen: Pays créé de mots - Ein Wortland. Man hört eine Off-Stimme, die Texte Handkes spricht. Spürbar wird, wie sehr selbst die kleinsten, unbedeutendsten Details der »wirklichen Wirklichkeit« dadurch, dass sie die dichte, präzise und poetische Sprache Handkes passieren, eine eigentümliche Aura erhalten. In solchen Momenten gelingt es Handke, in seinen Texten und durch sie, ein »pays de mots«, ein »Wortland« zu schaffen, ja sogar Momente der Epiphanie.

Diese Metamorphose durch Sprache, wie entsteht sie?
Nur vier Beispiele:
ein See,
ein Wind,
ein Geviert,
ein Fleck aus Maulbeersaft.

Zeitgleich zu den Texten aus dem Off bietet die Ausstellung Pays créé de mots - Ein Wortland eine Dia-Präsentation mit Aufnahmen der österreichischen Fotografin Lisl Ponger.

Sie evozieren Landschaften, die das Werk Handkes tief geprägt haben: Kärnten, Slowenien, Dalmatien, Istrien, Friaul.

Diese Bilder sind keine bloßen Illustrationen der Texte, vielmehr folgen sie ihrem eigenen Rhythmus. Und es sind gerade zeitlich verschobene Koinzidenzen, die beim Besucher, bei der Besucherin die Fähigkeit hervorrufen, seine/ihre eigenen, persönlichen Assoziationen zu kreieren, eigene Verkreuzungen zwischen dem Gehörten und dem Gesehenen, ja ein eigenes Wortland aus Bildern und Sprache zu schaffen – des Menschen ureigene Fähigkeit zur schöpferischen Phantasie eben, die wir in den Turbulenzen des täglichen Lebens allzu oft verkümmern lassen. Was hier in der Phantasie der Besucherin, des Besuchers geschieht, ist, was Handke die »wirkliche Wirklichkeit« nennt.