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Anke Bosse, Clemens Ruthner (Hg.): "Eine geheime Schrift aus diesem Splitterwerk enträtseln …". Marlen Haushofers Werk im Kontext Tübingen, Basel: Francke 2000. 366 Seiten. 48,00 €. ISBN 3-7720-2747-4. |
REZENSIONEN | |
Susanne
Baackmann: "... sorgfältig und facettenreich reflektiert ... beeindruckend ist die Bandbreite" Marlen Haushofer ist wieder oder immer noch im Gespräch. Sie gehört zu den Autorinnen, deren Werk zu Lebzeiten weitgehend ignoriert bzw. kritisch rezipiert wurde [...]. Als repräsentatives Beispiel der 'präfeministischen' Literatur wurde Haushofers Werk Anfang der 80er Jahre wiederentdeckt bzw. [...] vereinnahmt. Auf diesen für das Werk vieler Autorinnen der 50er und 60er Jahre nicht untypischen Rezeptionsweg wird in dem von Anke Bosse und Clemens Ruthner edierten Sammelband über Marlen Haushofer sorgfältig und facettenreich reflektiert. |
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Fast alle Beiträge sind überarbeitete Referate, die im Rahmen eines 1998
veranstalteten Haushofer-Kolloquiums gehalten wurden. Wie die Herausgeber
angeben, war einer der wichtigsten Impulse für dieses Kolloquium heuristischer
und epistemologischer Natur: Zunehmende Kritik an feministischen Analyseverfahren
brachte eine Neubewertung jener Texte in Gang, die zeitweilig als 'Paradetexte'
eines engagierten Aktivismus gelesen worden waren. Dementsprechend lassen
sich an der Rezeptionsgeschichte von Haushofers Werk "nicht nur die
Entwicklungslinien der Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur, sondern auch
die der Literaturwissenschaft" (S. 10) ablesen. Die thematisch und
methodisch weit gefächerten Beiträge des Sammelbandes geben einen klaren
und aufschlußreichen Eindruck von der Bandbreite gegenwärtiger Herangehensweisen
an Texte einer Autorin, deren Werk man entweder völlig vergaß oder überaus
lobte. Beeindruckend ist die Bandbreite der Beiträge, die
von produktionstheoretischen, editionsphilologischen, philosophisch-anthropologischen
und komparatistischen Aspekten zu Aspekten der Geschlechter›differenz‹ und
der Rezeptionsgeschichte reicht. So können sich interessierte Leserinnen
und Leser einen Eindruck sowohl von geschichtlichen Prämissen und Paradigmenwechseln,
als auch vom gegenwärtigen Stand der Haushofer-Forschung machen. In ihrer Einleitung verweisen die Herausgeber auf noch offene Felder und Desiderata, die auch die vorliegende Sammlung nicht ganz füllen bzw. beseitigen kann. Zum einen besteht die Tendenz einer werkimmanenten Kanonisierung, bedingt durch das große Interesse am Roman "Die Wand". [...] Zum anderen kann die besprochene Sammlung nur einen Anfangspunkt darstellen zu "einer umfänglicheren Analyse der vielfältigen intertextuellen Bezüge wie überhaupt der Funktion und Funktionalisierung von Lektüre in Haushofers Werk" (S. 20). Des weiteren würde sich eine Lektüre von Haushofers Texten in bezug auf aktuelle "Memoria"-Konzeptionen, die "Poetik des Leidens" und die Geschlechterdifferenz lohnen, ebenso wie ernsthafte Untersuchungen von Ironie und Groteske im Werk der Autorin (S. 21). Diese offene Stellungnahme zu möglichen Lücken und Mängeln des vorliegenden Bandes ist bemerkenswert. [...] |
Ernst Seibert: "... fundierende Grundlage einer erst im Entstehen befindlichen Forschung" Die Eigenart von Marlen Haushofers Werk ist wohl v.a. daran abzulesen, dass sich in dessen Rezeptionsgeschichte wie kaum anderswo in der neueren Literaturgeschichte ein verhängnisvoller Hang zur Etikettisierung bemerkbar macht. Ohne all diese Etikettisierungsversuche [...] hier aufzählen zu wollen, sei schlicht festgestellt, dass sie alle immer nur heuristische Annäherungen sind, und dass es allein schon ein Verdienst des vorliegenden Bandes ist, den differenzierten Blick auf dieses Werk zu eröffnen. Er dokumentiert das Kolloquium, das im Oktober 1998 an der Universität Namur (Belgien) als erste internationale Tagung zu Marlen Haushofer mit Beiträgen aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz stattfand, problemantisiert vorweg den seit den 80er Jahren dominierenden feministischen Zugang (S. 10) und versucht, über die "thematische und methodische Eindimensionalität" dieses Forschungsfeldes hinauszukommen (ebd.). Diesem Vorhaben dient die sehr übersichtliche Bündelung der Beiträge in sieben Abteilungen, [...]. Mit der Konzeption dieses Haushofer-Kolloquiums, der Auswahl der Beiträge, ihrer sehr gut überschaubaren Anordnung und gewiss auch behutsamen Lektorierung ist den Herausgebern ein Werk gelungen, das als tatsächlich fundierende Grundlage einer erst im Entstehen befindlichen Forschung zu einer Autorin wahrzunehmen ist, von der Johann Lachinger zu Recht meint, dass sie "zum Kanon der modernen österreichischen Literatur [...] zu rechnen ist." (S. 215) [...] |
(Aus: Sichtungen online, 10. 03. 2002) | (Aus: Germanistische Mitteilungen. Zeitschrift für deutsche Sprache, Literatur und Kultur 53/2001. Brüssel) |
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