»Professor Robert:
mich wundert ja daß nicht das ganze österreichische Volk
längst Selbstmord gemacht hat
aber die Österreicher insgesamt als Masse
sind heute ein brutales und dummes Volk
In dieser Stadt müßte ein Sehender ja
tagtäglich rund um die Uhr Amok laufen
(er schaut in Richtung auf das Burgtheater)
Was diesem armen unmündigen Volk geblieben ist
ist nichts als das Theater
Österreich selbst ist nichts als eine Bühne
auf der alles verlottert und vermodert und verkommen ist
eine in sich selber verhaßte Statisterie
von sechseinhalb Millionen Alleingelassenen
sechseinhalb Millionen Debile und Tobsüchtige
die ununterbrochen aus vollem Hals nach einem Regisseur schreien
Der Regisseur wird kommen
und sie endgültig in den Abgrund hinunterstoßen
[...]
(schaut auf das Parlament) [...]
aber was diese Leute aus Österreich gemacht haben
eine geist- und kulturlose Kloake
die in ganz Europa ihren penetranten Gestank verbreitet
und nicht nur in Europa
dieser größenwahnsinnige Republikanismus
und dieser größenwahnsinnige Sozialismus
der mit Sozialismus schon seit einem halben Jahrhundert
nichts mehr zu tun hat
was die Sozialisten hier in Österreich aufführen
ist ja nichts als verbrecherisch
aber die Sozialisten sind ja keine Sozialisten mehr
die Sozialisten heute sind im Grunde nichts anderes
als katholische Nationalsozalisten [...]
«
   

Thomas Bernhard: Heldenplatz. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1988.