»Schreiben
ist für mich nicht nur Analyse eines Atemzugs, eines Blicks,
einer Reise an Orte der Kindheit, eines Tatbestands, sondern auch die Beziehung
zur Verbalwelt von gestern und heute, es ist ein verbaler Umschlagplatz
aller Erscheinungen oder Erfahrungen eines Tages – eine Art Kosmos wird
geschaffen, wo alle Elemente einander bekämpfen, so lange, bis sie durch
einen sie zum Erstarren bringenden Überguß von Form-Idee befriedet werden
– also Intuition und Intellekt, Berauschung und Nüchternheit, mit Verschiebung
des Schwergewichts.
Eine künstliche Welt schaffen, immer neue Modelle, Mikrogebilde, und
dazwischen immer wieder der Griff in die Weite, wie
ein Regenbogen von einer Unbegrenztheit zur andern.«
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Friederike
Mayröcker: Rede anläßlich der Verleihung des Hörspielpreises der
Kriegsblinden, 22. April 1969, zusammen mit Ernst Jandl, in: ders.:
Gesammelte Werke, hg.v. Klaus Siblewski, Bd. 3, Darmstadt und Neuwied
1985, S. 154. |