Marlen Haushofer: Brief an Jeannie Ebner, 20. Oktober 1964,
zu Schreckliche Treue

»Der neue Roman [Unterbrechung durch einen Fettfleck, den Haushofer markiert und zu dem sie schreibt: »Verzeih, ich schreib in der Küche.«] quält mich sehr. Ich geh stundenlang auf und ab u. leide unter meiner Impotenz. Alles, was mir wie ein Traum vorschwebt, werde ich wieder zerstören durch meine Unfähigkeit es niederzuschreiben. Es ist auch sehr störend für mich, dauernd in mehreren Welten zu leben, die durch Abgründe getrennt sind. Dabei ist es seit jeher mein Bestreben, ein fast triebhafter Drang, Gegensätze zu versöhnen, Harmonie zu erzeugen u. die grosse Schizophrenie zu heilen.«


© Sybille Haushofer, Steyr - Ms. in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek, Nachlass Ebner