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Literatur der Goethezeit (Prof. Dr. A. Bosse)

Kaum eine Phase der deutschen Literatur ist so reichhaltig wie die zwischen 1770 und 1830. Da sie zeitlich übereinstimmt mit dem Leben des berühmtesten deutschen Autors, Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), nennt man diese Phase auch "Goethezeit".

Die außerordentliche Produktivität der Literatur der Goethezeit ist an umwälzende politische, soziale und literarische Veränderungen gebunden. Die Aufklärung, in deren Verlauf das Individuum in seiner Einzigartigkeit und seiner Bildungsfähigkeit entdeckt und die Macht der Kirche wie des Absolutismus untergraben werden, kulminiert in der Französischen Revolution und der beginnenden Ausbildung einer bürgerlichen Gesellschaftsform.

Die junge Generation der Goethe, Schiller, Lenz und anderer vollzieht in konsequenter Radikalisierung der Aufklärung Paradigmenwechsel in allen Bereichen der Literatur. Inspiriert und fasziniert von Shakespeares Werk, revolutionieren die "Stürmer und Dränger" das Drama, in dem sich spontan-natürlicher Ausdruck der Gefühle und die (auch krasse) Darstellung gesellschaftlicher Konflikte durchsetzen - die in Deutschland so lange anhaltende Hegemonie der französischen Klassik, der tragédie classique, ist gebrochen. Individualismus und seine Kulmination in der Genieästhetik kommen auch im Bereich der Lyrik zum Tragen, setzen die Stürmer und Dränger doch gegen die bloße Auftrags- und Gelegenheitslyrik die "Erlebnislyrik" durch, den emphatischen Ausdruck des lyrischen Ichs (oft koinzident mit dem Dichter-Genie).

Folgt am Ende des 18. Jahrhundert die sog. "Weimarer Klassik", wesentlich getragen von dem Dichterbund Goethes und Schillers. Orientieren sie sich an den ästhetischen Idealen der Antike und an einem überzeitlichen Konzept von Humanität, so provozieren sie um die Jahrhundertwende den Widerspruch der nächsten jungen Generation, der Romantiker. Diese öffnen sich auch außereuropäischen Sprachen und Literaturen (was übrigens auch der späte Goethe unternahm), durchbrechen die Grenzen der konventionellen literarischen Genres und verfolgen das Ideal einer unendlichen progressiven Universalpoesie. Die künstliche Abgeklärtheit der Klassik lassen die Romantiker hinter sich, indem sie den (schon in der rationalistischen Aufklärung) verdrängten 'Nachtseiten' des Menschen zu ihrem Recht verhelfen - das Unbewusste, die Triebe, der Traum wie überhaupt alles sprachlich nicht Fassbare ... Von hier aus lassen sich die Linien von der Romantik zur Moderne ausziehen.

Die Literatur der Goethezeit ist einer der Schwerpunkte sowohl des Unterrichts wie der Forschung Anke Bosses am Namurer Institut für deutsche Sprache und Literatur. Sie ist nicht nur Mitglied mehrer Goethe-Gesellschaften und in regelmäßigem Kontakt mit der Stiftung Weimarer Klassik, sondern hat zahlreiche Publikationen für diesen Bereich aufzuweisen und außerdem 1999 das große Brüsseler Internationale Kolloquium zur Goethe-Rezeption in Europa veranstaltet.